Jürg Seiler: «Verbandsführung ist heute mehr als ein Hobby, es ist ein Business!»

Für seine kurzen, prägnanten Reden an wichtigen Volleyball-Anlässen wird Jürg Seiler geschätzt.
 Der Aargauer Volleyballverband SVRA ist eine von 15 Regionen in der Schweiz. Er zählt 3384 Mitglieder, 137 Schiedsrichter, 45 Indoor- und 7 Beach-Vereine. Der SVRA betreibt nebst dem Meisterschaftsbetrieb eine Talent School, die regionale Auswahl SAR, Trainingsstützpunkte und gliedert gewisse Bereiche in einer GmbH aus.


Jürg Seiler, Sie sind seit bald zweieinhalb Jahren Präsident von Swiss Volley Region Aargau. Vergleichen wir Ihre bisherige Amtszeit mit einem Volleyballmatch. Stehen Sie kurz nach dem Anpfiff, auf Siegeskurs oder mit dem Rücken zur Wand im Tiebreak?
Jürg Seiler: Mit dem Rücken zur Wand stehe ich keinesfalls. Der Anpfiff ist länger her. Ich denke, ich bin auf Siegeskurs. Es läuft rund im Verband und das freut mich. Als ich das Amt übernahm, gab es logischerweise Veränderungen. Wir versuchen, die Bürokratie zu entschlacken und die Energie ins Spiel zu bringen. Das heisst: mehr fürs Spiel und weniger für die Bürokratie. Die Verbandsführung ist heute mehr als ein Hobby, es ist ein Business.

Dann sind Sie eher Geschäftsführer als Verbandspräsident?
Ich bin beides. Für die Vereine bin ich der Verbandspräsident. Auf der anderen Seite haben wir bei Swiss Volley Region Aargau Angebote wie die Talentschule oder die Unterstützung der Junioren Beachvolleyball-Nationalmannschaft, die wie eine Firma aufgebaut sind und in der GmbH geführt werden. Da bin ich sozusagen der Geschäftsführer. Warum aber sind wir auf Kurs? Auf dem Feld sprechen die Resultate von Aargauer Teams für sich. Daneben kann ich mit Freude sagen, dass wir weiter expandieren. Vor allem im Beachvolleyball, da wachsen wir stetig. Da gibt es übrigens in Zofingen einen neuen Verein, den Beachclub Zofingen, bestehend aus Akademikern um die 30 Jahre. Sie kamen zu mir, weil sie mehr Spielfelder brauchen. Da helfe ich nun mit der Unterstützung des Bildungszentrums Zofingen, dass die bestehende Anlage erneuert wird. Schön wäre, wenn die Beachanlage in der Badi saniert und erweitert würde. Im Beachvolleyball geht zurzeit bedeutend mehr als im Hallenvolleyball.

Aber mit der Betoncoupe-Arena in Schönenwerd steht im Verbandsgebiet ein Prunkstück. Die schweizweit einzige Volleyballhalle beheimatet Volley Schönenwerd, ist Leistungszentrum für Swiss Volley und Trainingsstützpunkt der Nationalteams. Waren Sie schon vor Ort?
Ja, ich war da schon an Spielen. Sicher hilft dieses tolle Domizil, Werbung für den Volleyballsport zu betreiben. Die Sache ist aber etwas kompliziert. Die Halle steht auf Solothurner Boden und Swiss Volley Region Aargau hat vom Kanton Aargau gewisse Auflagen, was Sportanlagen ausserhalb der Kantonsgrenze angeht.

Nächstes Wochenende findet in Zofingen die Finalissima statt. Aargauer Cupsieger, Auf- und Absteiger und Nachwuchsmeister werden ermittelt. Könnte ein solcher Anlass auch in Schönenwerd durchgeführt werden?
Nein, es braucht sechs Hallen für alle Spiele, in der Betoncoupe-Arena hat es nur drei. Und wer schon einmal an der Finalissima in Zofingen war, der weiss, dass das ein sensationeller Anlass in einer dafür perfekten Infrastruktur ist. Es gibt von Verbandsseiten her also keinen Grund, dieses stimmungsvolle Turnier an einem andern Ort als in der Thutstadt durchzuführen.

Bei Ihrem Amtsantritt sprachen Sie von drei Zielen. Sie wollten eine interregionale Beachvolleyball-Talentschule im Aargau aufbauen, Reglemente und Verordnungen anpassen und mit dem bestehenden Vorstand weiterarbeiten. Das ist alles abgehakt, oder?
Ja. Die Reglemente sind erneuert worden, aber das ist ein stetiges Werk, da müssen wir immer wieder Anpassungen machen. Der Vorstand wurde sogar erweitert und bald erfolgt ein Wechsel. Nathalie Künzli löst Felix Rüegg als Kommunikationschefin ab. Die Junioren-Beachvolleyball-Nationalmannschaft trainiert regelmässig im Kanton, in Seon, Möhlin, Kaisten oder in der Beachhalle Aarau. Swiss Volley steuert diese Aktivitäten, wir sind aber stolz, Mitorganisator zu sein. Sie sehen, wir sind wirklich auf Kurs.

Gibt es auch etwas, was nicht nach Plan läuft?
Was mir nicht so gefällt, ist, wenn auf regionaler Ebene bereits Spielerinnen oder Spieler eingekauft werden. Mehr möchte ich dazu nicht sagen.

An der letzten SVRA-Delegiertenversammlung sagte Martin Deubelbeiss, Leiter Finanzen von Swiss Volley, der Aargau sei der wohl innovativste aller 15 Regionalverbände. Was bedeutet Ihnen ein solches Lob?
Natürlich freut einen das. Aber ich bin diesbezüglich eher der «Coolman». Lob brauche ich nicht wirklich. Solches Feedback zeigt aber, dass wir wohl so einiges richtig machen. Wir haben übrigens bereits die nächste Innovation in der Pipeline und bauen derzeit eine Trainerakademie auf. Wir wollen den Vereinen helfen, Trainer zu finden und länger an sich zu binden durch Kursfinanzierung. Trainer sollen geschult werden, damit sie mit Stresssituationen umgehen können. Sie sollen ja nicht nach einer Saison ausgelaugt sein. Die aktuelle Ausbildungsstruktur von J+S entspricht nicht den Bedürfnissen der Vereine und möglicher Kandidaten. Diesem Umstand möchten wir mit gezielten Angeboten entgegenwirken.

Das tönt fast zu professionell, um Trainer im Breitensport anzusprechen?
Das Angebot richtet sich an Anfänger und Fortgeschrittene gleichermassen. Dazulernen können ja alle. Und wir erhoffen uns viel, wenn die Trainer auf verschiedenen Niveaustufen alle etwa dieselben Grundsätze haben. Im September ist der erste zweitägige Semesterkurs im GoEasy-Sportzentrum in Siggenthal geplant. Apropos Trainer, da kann ich noch von einer anderen positiven Entwicklung berichten. Mit Lukas Motyka haben wir in der Talent School einen guten Mann gefunden, der den Sportlichen Leiter der Talent School Bujar Dervishaj unterstützt und die Verantwortung für die Frauen übernimmt. Lukas Motyka haben wir bei Swiss Olympic für die Berufstrainerausbildung angemeldet. Es ist uns sehr wichtig, dass wir neben Bujar Dervishaj einen zweiten Mann haben. So kann der Apparat Talent School weiter existieren. Jede Funktion braucht schliesslich einen Assistenten.

Der Solothurner Regionalverband (SVRS) löst sich heuer auf. Fünf Vereine treten in den Aargau über. Wie stark kann und will der SVRA noch wachsen?
Schon länger laufen Diskussionen, einen Teil des Solothurner Verbandes und den Aargau zusammenzuführen. Dass es nun klappt, ist auch dem SVRS-Präsidenten Markus Hoenke zu verdanken, der uns stark unterstützte, damit der Prozess reibungslos abläuft. Wir nehmen im April fünf Solothurner Vereine definitiv in den SVRA auf. Es ist nicht zu erwarten, dass weitere Vereine aus anderen Regionen hinzukommen. Aber wir könnten das von der Verbandsgrösse her verkraften. Anpassen müssen wir durch den Zuwachs an Teams die Gruppenzusammenstellungen, aber das ist keine grosse Sache.

Wie erleben Sie die Zusammenarbeit mit Swiss Volley und den Vereinen? Nicht immer war dieser Dialog in den letzten Jahren ja von Respekt und Vertrauen geprägt.
Noch nicht einlösen konnte ich mein Versprechen aus meiner Amtsantrittsrede, dass ich jeden Verein besuchen werde. Das werde ich wohl nie schaffen, dazu fehlt mir schlicht die Zeit. Aber wer etwas von mir braucht, kommt sowieso auf mich zu. Zu mir kann wirklich jeder kommen, wenn er ein Anliegen hat. Wir diskutieren dann Probleme gemeinsam und suchen Lösungen. Das ist für mich das Wichtigste, dass ich immer ein offenes Ohr habe. Viele Vereinsverantwortliche treffe ich zudem an Spielen, denn ich bin im Aargau sehr oft an Volleyballmatchs. Betreffend Swiss Volley kann ich nur sagen, dass ich seit Beginn an kritisch hinterfrage, was vom Verband kommt.

In der Nationalliga A der Frauen ziehen sich Köniz und Volero zurück. Köniz streicht aus finanziellen und vereinsstrukturellen Gründen die Segel. Volero wird in Zürich noch Juniorinnen ausbilden, sein Profiteam aber in Frankreich spielen lassen. Was halten Sie von dieser Idee Voleros?
Ich habe Verständnis dafür. Volero möchte an die Côte d’Azur, weil sie da mehr Möglichkeiten sehen, auch in der Champions League besser voranzukommen. Das ist eine Geldfrage.

Wenn wir schon beim Geld sind, wie sieht es da bei Swiss Volley Region Aargau aus? Fürs Sponsoring sind ja nach wie vor Sie zuständig, da das Ressort nicht besetzt ist.
Sponsoring ist Knochenarbeit. Es zeigt sich, dass Firmen nicht mehr so einfach bereit sind, Geld zu geben. Man muss Beziehungen spielen und arbeiten lassen können. Unser Verband steht finanziell auf gesunden Beinen, aber die Sponsoring-Einnahmen könnten klar besser sein.

Um die Aargauer Nachwuchsmeister an der Finalissima mit Preisen belohnen zu können, lancierte der SVRA ein Crowdfunding-Projekt. Hat das anstelle von normalen Sponsoring-Anfragen Zukunft?
Wir haben das als Test jetzt mal durchgeführt und sind gespannt, was zusammenkommt. Ich bin zuversichtlich. Aber man muss auch sehen: Bis du einen professionellen Promo-Film für die IBelieveInYou-Plattform erstellt hast und alles aufgegleist ist, hast du auch Aufwand und Auslagen. Zweimal rund drei Stunden wurde gefilmt und fotografiert, die Däniker Firma Arthaios hat uns da supportet. Wir werden schauen, inwiefern sich die Crowdfunding-Aktion nun lohnt.

Zum Schluss: Welche Projekte stehen kurz- und langfristig zuoberst auf Ihrer Pendenzenliste nebst der erwähnten Trainerakademie?
Ein grosses Ziel ist, dass wir im Verband bei den Frauen bald wieder ein Nationalliga-B-Team haben. Schönenwerd ist auf gutem Weg. Wir hoffen, wir können da dann die Spielerinnen aus der Talent School einbauen, sodass diese im Verbandsgebiet zum Einsatz kommen und nicht in auswärtige Verbände müssen. Bei den Männern laufen Diskussionen, dass wir Laufenburg-Kaisten von der NLB wieder in die NLA bringen könnten. Trainer Lukasz Motyka ist daran interessiert, die vielen Nachwuchsspieler des Vereins einzubauen, vorerst den Verbleib in der NLB zu sichern und dann nachhaltig etwas aufzubauen und einen Schritt weiter zu gehen.

ZUR PERSON: Jürg Seiler (61) ist hauptberuflich als Geschäftsführer der SpeicherBox.ch GmbH tätig. Während sechs Jahren sass er für die SVP im Einwohnerrat Zofingen, war 24 Jahre Offizier der Stützpunktfeuerwehr Zofingen und Aarau. Seiler amtet als Richter im Pferderennsport und gibt als Hobbys Sport, Bilderkunst und Reisen an. Bei Swiss Volley Region Aargau (SVRA) amtet er als Präsident und Ressortverantwortlicher Sponsoring und Nachwuchsleistungssport. 

Text: Melanie Gamma Zofinger Tagblatt

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