Laura Künzler: Volleyball-Star mit Aargauer Wurzeln

Sie führte Sm’Aesch Pfeffingen zu Silber in Meisterschaft und Cup sowie U23-Gold, wurde als «Best Swiss Player» der Saison ausgezeichnet, ist Captain der Nationalmannschaft – und wagt nun den Sprung ins Ausland. Kaum zu glauben, dass Laura Künzler gerade einmal 20 Jahre alt ist. Dass die Aargauerin als eines der grössten Talente im Schweizer Frauenvolleyball gilt, bezweifelt niemand. Im Portrait erfahren wir unter anderem, wie sie ihren grössten Rückschlag weggesteckt hat, wie sie ihre Rolle als Nati-Captain sieht und welche Farbe ihre Match-Unterwäsche hat.

Verantwortung übernehmen in der Annahme, am Netz und am Service Punkte erzielen, mit dem Team Spass haben und das Match geniessen – genauso wie heute will ich Volleyball spielen», sagte Laura Künzler trotz der knappen 2:3-Niederlage im dritten Playoff-Finalspiel gegen Volero Zürich. Dass sie als Teamleaderin von Sm’Aesch Pfeffingen ein ganzes Stück jünger ist als einige ihrer Mitspielerinnen, sei ihr auf dem Feld nicht bewusst. Auszeichnungen wie diejenige zum «Best Swiss Player» der Saison 16/17 lösen bei der 20-Jährigen hingegen mehr Emotionen aus: «Ich kann manchmal selbst kaum fassen, wie schnell ich mich entwickle. Dieser Preis ist ein schöner Lohn für den grossen Aufwand, den ich in den letzten Jahren betrieben habe. Dass ich ihn beim Cupfinal entgegennehmen durfte, wo meine ganze Familie anwesend war, hat mich fast zu Tränen gerührt.»

Das Team und die Familie als Rückhalt
Die Familie ist ein zentrales Element im Leben von Laura Künzler. Auch wenn sie früh alles auf die Karte Volleyball setzte und mit 16 Jahren vom Daheim im aargauischen Neuenhof ganz alleine in eine kleine Wohnung beim Bahnhof Basel zog, um in Aesch in der NLA Fuss zu fassen und gleichzeitig die Schule in Aarau abschliessen zu können. «In einer Grossfamilie mit drei Schwestern wird man vielleicht ein bisschen schneller selbständig, aber der Schritt nach Basel war dann doch nicht ganz einfach. Ich bin ein eher zurückhaltender Mensch. Die Stadt, das Team, das Zuhause – mein ganzes Leben war auf einen Schlag neu, da fühlte ich mich zu Beginn ziemlich verloren», erinnert sich die Angreiferin. Doch sie hat sich durchgebissen, dank dem elterlichen Rückhalt aus Neuenhof, Zeit und der Unterstützung von Sm’Aesch Pfeffingen. «Viele tolle Menschen engagieren sich dort im Hintergrund. In diesem familiären Umfeld wurde ich schnell aufgenommen, ich fühlte mich mit jedem Monat wohler und so fiel es mir immer leichter, meine Leistung abzurufen.» Auf jeden Fall habe sie sich menschlich am meisten entwickelt, meint Künzler rückblickend.

Vielleicht liegt es daran, dass die Aargauerin 1996 in den USA – dem Land der unbegrenzten Möglichkeiten –  geboren wurde, weil ihr Vater im Rahmen seiner beruflichen Weiterbildung eine Zeit lang in Berkeley lebte. Typisch schweizerisch waren die Aussagen des damals 16-jährigen Talents jedenfalls nicht: «Die NLA ist nicht das höchste der Gefühle. Ich will als Profi ins Ausland. Und ich will in der Champions League spielen.» Ein unbändiger Wille, ihre Ziele zu verfolgen, gepaart mit einer grossen Portion Ehrgeiz – so könnte man das Erfolgsrezept der 1.88 Meter grossen Frau bezeichnen. Selbst die erste schwere Verletzung in ihrer Karriere hielt sie nicht auf. Nach einer erfolgreichen Saison als Rookie mit Sm’Aesch Pfeffingen hatte sich Künzler so darauf gefreut, im Europacup ihr Talent endlich auf internationaler Bühne zeigen zu dürfen. Der Rückschlag kam in Spanien jedoch bereits im zweiten Satz in Form eines mehrfachen Bänderrisses im Fuss. «Es war ein Schock, ich haderte noch lange damit und hatte sogar Alpträume. Ich bin dann für ein paar Wochen zurück nach Neuenhof gezogen, habe mit meiner Familie viel über meine Ängste gesprochen und meine Mutter hat mich für jedes Spiel nach Basel zum Team gefahren. Das war wichtig, sie haben mich enorm getragen und aufgemuntert in den drei Monaten, bis ich endlich wieder spielen konnte.»

Gute Technik als Basis
Sie habe damals gemerkt, wie wichtig Volleyball für sie ist, sagt die Aargauerin im Rückblick. Sie habe einmal als Kindergärtnerin geschnuppert und sie könne sich vorstellen, eines Tages beruflich in dieser Richtung tätig zu sein. Aber noch nicht jetzt. Sie habe gelernt, geduldig zu sein und auf ihren Körper zu hören, der generell viel Zuwendung brauche. «Ich muss sehr hart arbeiten, um mein Muskelgerüst so aufzubauen, dass es den Belastungen mit den vielen Sprüngen und Verschiebungen standhält.» Im Wachstum hätte sie mit Entzündungen gekämpft und auch jetzt baue sich ihre Muskulatur nur langsam auf. Dafür profitiert Künzler von ihrer guten Technik, die sie seit ihren allerersten Volleyball-Versuchen im Alter von 9 Jahren von ihrer damaligen Trainerin in Neuenhof und den Techniktrainings in der Talent School Aargau mit auf den Weg bekommen hat. Vor Matches brauche sie einen klar strukturierten Tagesablauf mit Morgentraining, Essen – die Volleyballerin kocht sehr gerne und probiert immer wieder neue Rezepte aus – einer Ruhepause und dem Fokusaufbau danach. «Maja Storck und ich spielen ausserdem immer in unserer pinkfarbenen Sportunterwäsche», fügt sie schmunzelnd an. Ein kleines bisschen Aberglaube muss also doch sein. Auf dem Spielfeld sei sie dann «sehr konzentriert und ein absoluter Teamplayer». Sie spiele weniger mit dem Publikum, feiere dafür jeden Punkt, egal ob er von ihr oder von einer Mitspielerin kommt, und versuche das Team so mitzureissen.

Auch als Captain eine Leaderin
Generell ist Künzler eine, die sich viele Gedanken macht, über ihre Rolle im Team oder in der Nationalmannschaft. Dort wird sie ebenso wie im Klub von Timo Lippuner trainiert, auf den sie grosse Stücke hält: «Er arbeitet akribisch und hat hohe Ansprüche, von ihm werde ich gefordert und gefördert.» Mit 36 Länderspielen ist die Aargauerin bereits die Erfahrenste. Als Captain wolle sie das junge Team anführen und Verantwortung übernehmen. «Manchmal bin ich dadurch vielleicht noch etwas verkrampft, die vielen jungen Spielerinnen im Team helfen mir aber, meine Unbeschwertheit wiederzufinden», sagt sie.
Wie gross ihr Stolz ist, Nationalspielerin zu sein, beweist nicht nur der Fakt, dass der Captain die Nationalhymne immer mitsingt. Sie könne sich auch sehr genau an ihr erstes Länderspiel erinnern. Nicht etwa, weil sie gleich auf Anhieb im Einsatz stand, nein. «Ich spüre noch heute den Ärger, weil ich im entscheidenden Moment diese eine Finte nicht mehr erreicht habe.» Irgendwie bezeichnend. Das war im Herbst 2013, Künzler war 16 Jahre alt.
2017 stehen für das Nationalteam wichtige Turniere auf dem Programm, zuerst die WM-Qualifikation Ende Mai. «Wir haben eine Hammergruppe erwischt. Spielerisch kommen wir den anderen Teams immer näher. Uns bleibt nichts anderes übrig, als die fehlende Erfahrung mit einer Portion Frechheit zu kompensieren. Dann schauen wir, was herauskommt.» Später folgt der Heimauftritt am Montreux Volley Masters, worauf sie sich schon riesig freue. Und im August dürfte sie bereits zum zweiten Mal an der Universiade teilnehmen. «Das ist ein Riesending mit all den Athleten aus den anderen Sportarten, der unglaublich grossen Mensa und so vielen Eindrücken, die man zu verarbeiten hat. Diesmal weiss ich zum Glück schon, was auf mich zukommt.»

Der logische Schritt ins Ausland
Danach wartet eine weitere grosse Veränderung auf die junge Schweizerin. Nach den drei erfolgreichen Jahren in der NLA wagt Künzler nun den Sprung ins Ausland, das steht bereits fest. Am liebsten gemeinsam mit ihrem Freund, Leon Dervisaj von Volley Schönenwerd. Angebote aus der Bundesliga und aus Italien liegen auf dem Tisch. Es ist der logische nächste Schritt in ihrer Entwicklung. Doch genauso wohl überlegt wie sich die 20-Jährige ausdrückt, soll auch dieser Entscheid gefällt werden. «Ich verspreche mir im Ausland weitere Fortschritte. Und es tut mir sicher gut, wieder einmal ins kalte Wasser zu springen.» Nach der Traumliga gefragt, wird nicht lange überlegt: «Einmal in der türkischen Liga zu spielen, das wär‘s.» Kein Wunder, von dort kommt schliesslich der aktuelle Sieger der Champions League. «Ich nehme Schritt für Schritt», sagt Künzler. Aber wem, wenn nicht ihr, ist zuzutrauen, diesen Traum eines Tages zu verwirklichen …

 

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